Ein letztes Mal lässt Hubertus Meckelmann zur großen Drückjagd in der Wildnis blasen. Im Kerngebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes soll bald gar nicht mehr gejagt werden. Für die Reviere außen herum ist das eine Zumutung. Denn die mühsam begrenzten Populationen von Rot-, Dam- und Schwarzwild werden dadurch völlig durcheinander geworfen. Daran ändert auch die Rückkehr vom Wolf nichts – und der hat aus Sicht der meisten Jäger in Brandenburg sowieso nichts verloren. GRENZBOCK begleitet drei Jäger durch ihre Wälder und lässt in langen, ruhigen Einstellungen die Weltbilder durchschimmern, die sich hinter Jägerlatein und Lodenmantel verstecken.
Wie sind Sie auf das Thema zu Ihrem Film GRENZBOCK gekommen? Was oder wer hat Sie inspiriert?
Ich fand es erst einmal überraschend, dass es noch keinen Kinofilm über die Jagd gibt. (…) Aber ich wollte keinen Film machen, der die Jagd erklärt, oder die Geschichte nacherzählt. Für mich war das Thema eher universell, denn da geht es schließlich darum, wie man sich in seinem eigenen Revier einrichtet, wie man zu dem Nachbarn steht und seine Interessen verteidigt. Die Reviere als erweitertes Selbstverständnis und Ausdruck der eigenen Weltsicht, das fand ich spannend.
Wie haben Sie sich auf das Projekt vorbereitet?
Ich habe mich am Anfang sehr viel mit Gemälden auseinandergesetzt. In der Malerei gab es immer wieder die Jagdromantik, in der Trophäen und erlegtes Wild als Zeichen von Potenz und Stärke auftauchen. (…) Parallel bin ich natürlich immer wieder zu Jagden in den Wald gefahren und habe als Drücker geholfen oder mich einfach mit auf den Ansitz gesetzt.
Hat sich Ihre Sicht auf die Jagd durch die Arbeit an dem Film und mit den Protagonisten verändert?
Sehr. Ich hatte vor dem Film überhaupt kein Verhältnis zu dieser Welt. Und von meinem eigenen Leben in der Großstadt ist die auch sehr weit entfernt. (…) Aber mich haben alle meine Protagonisten sehr beeindruckt. Die Ernsthaftigkeit und Hingabe mit der sie sich um ihre Reviere und Wälder kümmern hat meinen großen Respekt. Von dieser Haltung gegenüber seiner Aufgabe, sei es nun Jäger oder Filmemacher oder was auch immer, kann man sich viel abgucken.
Warum sollte man sich GRENZBOCK unbedingt anschauen?
Dafür gibt es natürlich viele Gründe. Aber ich glaube schon, dass wir es geschafft haben, dass man als Zuschauer in diese Welt und den Wald wirklich eintauchen kann. (…) [Ich würde sagen], dass das ein Tierfilm über Jäger ist, der ein paar ziemlich grundsätzliche Fragen über Kultur, Wildnis und unsere Rolle als Menschen stellt.
In der Wald- und Jagdwelt geht es in einer etwas konzentrierteren Form um die gleichen Brunft- und Revierkämpfe wie überall sonst in Gesellschaften auf der Welt, die eine räumliche und ideelle Wirklichkeit teilen müssen. Egal ob in Machtkämpfen zwischen Staaten, innerhalb von Familien oder in der Berufswelt, immer ist der Mensch in seinem kleinen Wahrnehmungsfeld gefangen, ist vor allem darum bemüht sein eigenes Revier in Schuss zu halten und die Grenzen vor Erosionen zu schützen. Denn außerhalb lauert meistens Gefahr. Eindringlinge, Andersdenkende und Reformer drohen permanent das mühsam erarbeitete Selbstverständnis zu zerstören. Und im Zuge dieser „Schutzwall-Bauerei" werden Gegenstände zu Symbolen, die eigene Erinnerung überhöht und der tote Kopf eines Tieres eben zum Symbol maßloser Potenz. Deswegen ist GRENZBOCK auch nur zweitrangig ein Film über die Jagd. In jeder Szene und in jeder Figur soll die allgemeine Sehnsucht im Menschen nach Kontrolle und Macht mitschwingen.
Dabei wird keinem der Protagonisten eine echte Liebe zum Wald und seiner Welt abgesprochen. Und genau da ist der Konflikt und die Komik. Denn erst wenn wir das Jägerlatein der Anderen richtig deuten, sehen wir hinter der Abgrenzung und verstaubten Tradition den Lichtblick echter Gefühle.
Regisseur Hendrik Löbbert